Warum ist der Widerstand gegen die Dritte Startbahn auf dem
Münchener Flughafen ein zentrales Anliegen der Christen,
die sich für die Erhaltung der Schöpfung einsetzen?

Besinnung gestaltet von Prof. Dr. Michael Besch
zum Lichterzeichen-Schweigegang am 4.10.2015 (Erntedank)


Ansprache nach dem Lichterzeichengang am 4. Oktober 2015

im Epiphanias Zentrum, Lerchenfeld

Warum ist der Widerstand gegen die Dritte Startbahn auf dem Münchener

Flughafen ein zentrales Anliegen der Christen, die sich für die

Erhaltung der Schöpfung einsetzen?


Ich will versuchen, diese Frage in vier kurzen Punkten zu beantworten.


1) Zunächst möchte ich die Ausgangsfrage klären: wo ist denn dieser Auftrag, die

Schöpfung zu bewahren, in der Bibel formuliert?


2) Danach werde ich die Ursachen der aktuellen Bedrohung der Schöpfung,

eben die Auslöser der drohenden Klimakatastrophe ansprechen.


3) Und dann werde ich mich der für uns entscheidenden Frage zuwenden, welchen

Beitrag die Luftfahrt zu dieser Klimakatastrophe leistet.


4) Zum Schluss möchte ich dann die Konsequenzen aus der Klimaschädlichkeit

des Flugverkehrs für unseren Widerstand gegen die Dritte Startbahn ziehen.




1) Wo ist der Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, in der Bibel zu finden?


Als Antwort auf diese Frage wird allgemein eine Stelle aus dem zweiten, älteren Schöpfungsbericht zitiert, der im 2. Kapitel der Genesis, dem 1. Buch Moses, geschrieben steht: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.“


In diesem zweiten Schöpfungsbericht, der etwa um 900 vor Christus entstanden ist, wird auch die geographische Lage des „Garten Eden“, eben des Paradieses beschrieben, nämlich durch den gemeinsamen Ursprung von vier Flüssen, von denen zwei der Euphrat und der Tigris sind. Also haben wir den Garten Eden irgendwo im östlichen Teil der heutigen Türkei zu suchen. Und da wird wohl jeder mit mir übereinstimmen, dass wir dort sicher kein Paradies vorfinden!


Während vor 3000 Jahren den Menschen im Vorderen Orient nur ein kleiner Teil der Erde bekannt war, kennen wir inzwischen jeden Winkel von ihr, zu Wasser und zu Lande. Aber das Paradies, den Garten Eden, ein Gebiet, wo wirklich paradiesische Zustände herrschen, hat kein einziger der vielen Entdeckungs-reisenden gefunden!


Heute überblicken wir, dank der bemannten und der unbemannten Raumfahrt, nicht nur die Erde, sondern nahezu unser gesamtes Planetensystem, das zusammen mit der Erde um die Sonne kreist. Und erst durch den Blick von draußen auf die Erde ist uns die Einzigartigkeit unseres Planeten bewusst geworden.


Für diese Einzigartigkeit der Erde hat uns die moderne Astronomie eine Erklärung geliefert. Es ist dies das Konzept der sog. „ständig bewohnbaren Zone“ innerhalb unseres Planetensystems. Damit ist der sehr schmale Gürtel um die Sonne herum gemeint, in dem sich flüssiges Wasser bilden und halten kann und damit die Entstehung des Lebens ermöglicht hat. Das heißt, die Temperaturen auf der Erde dürfen nicht zu niedrig, aber auch nicht zu hoch sein. Wäre die Umlaufbahn der Erde nur etwas näher an der Sonne, würde alles Wasser verdampfen und wir hätten hier Zustände ähnlich wie auf der Venus. Wäre die Umlaufbahn der Erde nur etwas weiter von der Sonne entfernt, würde alles Wasser zu Eis erstarren und wir hätten hier ein Klima ähnlich wie auf dem Mars.


Daraus können wir nur einen Schluss ziehen: Die ganze Erde ist für uns das Paradies im Sonnensystem, auf der (wie der erste Schöpfungsbericht in der Genesis sagt) Wasser und Festland, Pflanzen und Tiere und schließlich, am Ende der Evolution, die Menschen entstanden sind. Und diese Schöpfung, die Erde, unseren einzigartigen „blauen Planeten“ gilt es „zu bebauen und zu bewahren“. (Die blaue Farbe erhält die Erde von den Ozeanen.) Dabei wird es und das können wir heute mit Sicherheit sagen, von der Einsicht und vom Verhalten der Menschen abhängen, wie diese Erde in der Zukunft aussehen wird!





2) Was sind nun aber die Ursachen für die aktuelle Bedrohung der Schöpfung?


Nach allem, was die Klimaforschung in den letzten Jahrzehnten ermittelt hat, beruht die aktuelle Bedrohung unseres Planeten und damit auch der Zukunft der Menschen auf der Erde, auf unserem Verhalten in den letzten 250 Jahren.


Wenn wir auf die vergangenen 2 ½ Jahrhunderte zurückschauen, dann sehen wir auf eine Epoche, die eine bisher völlig neue Entwicklung für die Menschheit gebracht hat. Anstelle der sich seit Jahrtausenden nur sehr langsam verbessernden wirtschaftlichen Situation auf der Grundlage der landwirtschaft-lichen Produktion überall in der Welt, setzte zuerst in Westeuropa auf der Basis der Fortschritte in der Naturwissenschaft und Technik seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die industrielle Produktionsweise ein, was auch als „industrielle Revolution“ bezeichnet wird.


Die Engländer nennen für deren Beginn ein präzises Datum, nämlich das Jahr 1765, in dem James Watt die erste funktionsfähige Dampfmaschine zum Patent anmeldete. Diese Dampfmaschine wurde nach einigen Verbesserungen später nicht mehr mit Holz sondern mit Kohle beheizt und machte damit die Menschheit in der Energieversorgung zum ersten Mal von dem unabhängig, was jährlich nachwächst. Und genau das war, wie wir heute erkennen, die Grundlage für die Entwicklung der Technik und der industriellen Produktion.


So wurde dann das 19. Jahrhundert das Kohlejahrhundert mit dem Aufbau der Schwerindustrie, dem Eisenbahnbau und schließlich der Dampfschiffahrt, während im 20. Jahrhundert die massenhafte Nutzung von Erdöl und Erdgas dazu kam.

Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren jedoch die Industria-lisierung und auch das starke Bevölkerungswachstum auf die sog. „alten Industrieländer“ in Europa und Nordamerika, später dann noch auf die Sowjet-union und Japan begrenzt. Die bis dahin im Weltmaßstab gesehen regionalen Probleme der Industriegesellschaft sind erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts mit der Ausbreitung des Bevölkerungswachstums und der industri-ellen Produktionsweise über nahezu die gesamte Erde zum globalen Problem und damit zur Existenzbedrohung für die kommenden Generationen geworden.


Denn die größte Gefahr, die von der Verwendung der fossilen Brennstoffe ausgeht, ist die damit verbundene Freisetzung des seit Jahrmillionen in den unterirdischen Lagerstätten der Kohle, des Erdöls und des Erdgases gespeicherten Kohlenstoffes in Form von Kohlendioxid und anderer Emissionen in die Atmosphäre. Dadurch entsteht eine Art Treibhauseffekt, bei dem die zusätzlichen Klimagase die Infrarotstrahlung der Sonne zur Erde zurückwerfen und damit die Temperatur auf der Erdoberfläche erhöhen. Wie uns die Klimaforscher sagen, würde bei einem weiteren ungebremsten Ausstoß dieser Emissionen die Durchschnittstemperatur der Erde, die gegenwärtig etwa 15° Celsius beträgt, sich bis Ende dieses Jahrhunderts um 5-6°auf über 20° Celsius erhöhen. Und das wäre immerhin etwas mehr als ein Drittel der heutigen Erdtemperatur!


Somit erweisen sich die klimaschädlichen Emissionen bei der Nutzung der fossilen Energieträger als eine der tragischen Kehrseiten der Industrie-gesellschaft, die doch in Bezug auf Wohlstand und Wohlbefinden so enorme Verbesserungen für die Menschheit gebracht hat.

Um einen solchen extremen Klimawandel zu verhindern, den man mit Fug und Recht als eine Katastrophe bezeichnen kann, da er der ganzen Menschheit einen unermesslichen Schaden zufügen würde, müssen wir also möglichst schnell von der Verwendung der fossilen Brennstoffe wegkommen. Das heißt, wir müssen es schaffen, bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Nutzung der klimafeindlichen fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas vollständig durch die erneuerbaren Energien zu ersetzen. Denn bei der Gewinnung und Verwendung der Sonnenenergie, der Windkraft und der Wasserkraft fallen keine schädlichen Emissionen an. Und damit würde sich nach den übereinstimmenden Ergebnissen der Klimaforschung die durchschnittliche Temperaturerhöhung auf der Erde bis Ende dieses Jahrhunderts auf noch erträgliche 2° Celsius begrenzen lassen.


Diese ökologische Wende in der Energiepolitik muss sich jedoch auf alle Bereiche der Wirtschaft und eben auch auf den Verkehrssektor erstrecken.





3) Wie weit tragen die Emissionen des Verkehrssektors und vor allem der

Luftfahrt zum bedrohlichen Klimawandel bei?


Schauen wir uns die vier Verkehrsträger an, die wir haben, den Schienenverkehr, den Straßenverkehr, die Schiffahrt und die Luftfahrt, so fällt eine erstaunliche Entwicklung auf.

Ausgerechnet die Eisenbahn, die mehr als 100 Jahre ausschließlich mit Kohle betrieben wurde, hat sich, nach einem kurzen Zwischenspiel mit den Dieselloks, zumindest in Europa komplett auf den Elektrobetrieb umgestellt. Damit ist der Schienenverkehr derjenige Verkehrszweig, der mit Abstand den geringsten Kohlendioxidausstoß pro beförderte Person bzw. Tonne Frachtgut verursacht. Eine vollständige Umstellung auf Öko-Strom ist bei der Eisenbahn somit ohne weitere technische Anpassung möglich und hängt lediglich von der kompletten Bereitstellung von umweltfreundlich erzeugtem Strom ab.


Anders sieht dagegen die Lage bei den drei übrigen Verkehrsträgern aus, beim Straßenverkehr, bei der Schiffahrt und bei der Luftfahrt, die alle drei Rohöl-produkte als Antrieb für ihre Motoren benutzen. Während jedoch in der Autoindustrie, die Entwicklung alternativer, Kraftstoff freier oder Kraftstoff sparender Antriebssysteme, wie Elektro- oder Hybridfahrzeuge, in den letzten Jahren vorangetrieben wurde und sogar in der Hochseeschiffahrt an Kraftstoff sparenden Verfahren experimentiert wird, herrscht im Bereich der Luftfahrt auf diesem Gebiet eine merkwürdige Funkstille.


Den Grund hierfür habe ich vom Lehrstuhl für Flugantriebe der TU München in Garching erfahren. Denn der Elektromotor in der bisherigen Form ist wegen des hohen Gewichts der Stromspeicher, das sich auch während des Fluges nicht verringert, für den Flugzeugantrieb nicht geeignet. Ähnliches gilt auch für die Verwendung von Biotreibstoffen in größerem Umfang. Somit kann das Flugzeug mit der jetzigen Antriebstechnik aus Gründen des Klimaschutzes als ein „technisches Auslaufmodell“ bezeichnet werden. Wenn nämlich das auf dem letzten G7 Gipfel auf Schloss Elmau von der Bundeskanzlerin angekündigte Ende des Einsatzes der fossilen Brennstoffe bis 2050 realisiert werden würde, könnte ab 2050 kein einziges der mit Kerosin angetriebenen Flugzeuge mehr eingesetzt werden! Es ist somit höchste Zeit für die Flugzeugbauer, sich um klimafreundliche Antriebe für die Flugzeuge der Zukunft zu kümmern!

Denn mit den heute verwendeten Motoren ist die Luftfahrt mit Abstand der größte Klimakiller unter allen Verkehrszweigen! Nach neueren Angaben des Umwelt-bundesamtes erzeugt das Flugzeug das Vierfache der Kohlendioxidemissionen als die Eisenbahn, nach früheren Angaben sogar das Siebenfache! (Jeweils auf den Transportkilometer bezogen.)


Wie leicht einzusehen ist, macht es einen großen Unterschied, ob das Kohlendioxid in der Nähe der Erdoberfläche freigesetzt wird, wo es teilweise wieder gebunden oder ausgewaschen wird, oder aber während der normalen Reiseflughöhe etwa 10 km hoch in der sensiblen Atmosphäre. Die dort vom Flugzeug ausgestoßenen Schadstoffemissionen verstärken den Strahlungs-antrieb, so dass sich deren Klimawirksamkeit auf das Zwei- bis Dreifache erhöht. Dazu kommt noch die Wirkung des Wasserdampfes, der die sichtbaren Kondensstreifen hinter den Flugzeugen bildet. Die daraus entstehenden vereisten Zirruswolken tragen noch einmal ebenso viel zur Erderwärmung bei wie das gesamte von den Flugzeugtriebwerken ausgeschiedene Kohlendioxid.





4) Konsequenzen aus der Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs für unseren

Widerstand gegen die Dritte Startbahn


Wenn wir uns die große Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs vor Augen führen, dann bekommt unser Widerstand gegen den Bau einer Dritten Startbahn auf dem Münchener Flughafen eine breitere Grundlage, ja eine globale Dimension.


Es geht hier eben nicht nur um die Verhinderung einer überflüssigen Rollbahn in unmittelbarer Nähe von Freising, die unsere Heimat noch weiter belasten und das Leben der Flughafenanrainer noch weiter erschweren würde. Es geht in der Sorge um die Erhaltung der Schöpfung darum, eine weitere Zunahme des Flugverkehrs zu verhindern und das nicht nur in München sondern in ganz Deutschland und möglichst auch in ganz Europa.


Dabei liegen die Mittel zur Begrenzung des klimafeindlichen Flugverkehrs einmal im politischen Bereich und zum anderen in unserem Verhalten als Nachfrager.


Im politischen Bereich muss eine grundsätzliche Änderung der bisherigen Verkehrspolitik weg von der Förderung des klimafeindlichen Flugverkehrs und hin zu einer Förderung des klimafreundlichen Bahntransportes erfolgen. Das kann durch den Abbau von Steuerbegünstigungen und Subventionen für Flüge und Flughäfen sowie durch die Einführung einer wirksamen Klimaabgabe auf die erzeugten Kohlendioxidemissionen beim Flugverkehr geschehen. Gleichzeitig müssen die aufgeschobenen Investitionen in das Streckennetz der Bahn zügig nachgeholt werden. Dadurch könnte ein Großteil der jetzigen Kurz- und Mittelstreckenflüge auf die Schiene verlagert werden.


Vorraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Flughäfen an das Fernbahnnetz ange-bunden sind. Auch hierfür gibt es, wie wir alle wissen, für den Flughafen München eine Fehlanzeige. Noch 23 Jahre nach seiner Eröffnung ist dieser nur mit dem Zubringerflugzeug, über die Autobahn oder über zwei S-Bahnlinien von München aus zu erreichen. Eine regionale Fernbahnanbindung über die Neufahrner Gegenkurve und den Erdinger Ringschluss ist erst in Vorbereitung. Zusätzlich muss aber auch ein Anschluss des Münchener Flughafens an das europäische Hochgeschwindigkeits–Streckennetz erfolgen.


Und zum Schluss wollen wir uns alle fragen, was wir persönlich dazu beitragen können, dass der Flugverkehr über uns nicht mehr zunimmt sondern möglichst abnimmt. Denn in dem Bestreben, den Bau der 3. Start- und Landebahn auf dem Flughafen München zu verhindern, kommt dem künftigen Verhalten der Menschen eine entscheidende Bedeutung zu.


Wie Papst Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ geschrieben hat, ist zur Verhinderung der Klimakatastrophe ein „Bündnis zwischen Menschheit und Umwelt“ nötig, wofür als Anstoß eine Veränderung der bisherigen Gewohnheiten der Menschen erforderlich ist.


So sollte jeder von uns überlegen, wie er für sich die Nutzung des klimafeindlichen Flugzeuges einschränken kann. Damit helfen wir nicht nur, den Bau der Dritten Startbahn langfristig zu verhindern sondern arbeiten gleichfalls mit an der Bewahrung der Schöpfung als Aufgabe von allen Menschen!